Die Diskettenbox: Fluch oder Unsinn?

Versuch einer Bestandsaufnahme

Es gibt ein Phänomen in unserer eigenen sonst so rational denkenden (?) Computerscene, welches an Erstaunlichkeit nur noch von der Existenz rauchglasfarbener Tastaturstaubschutzkappen übertroffen wird. Es ist das Phänomen der Existenz rauchglasfarbener Diskettenschachteln. Dieses Phänomen ist deshalb so erstaunlich, weil man ja davon ausgehen muß, daß diese Dinger irgendwann hergestellt, ja sogar irgendwann entworfen werden, und zwar, sollte man meinen, von normalerweise auf Zweckmäßigkeit und Ergonomie bedachten Designern oder Ingenieuren. Diese Vermutung muß aber, wenn man sich das Endergebnis ansieht, logischerweise falsch sein. Auch die Vermutung, diese Diskettenschachteln wüchsen auf Bäumen, ist zweifelhaft. Jede durchschnittlich begabte Evolution hätte es besser gemacht. Denkbar ist bestenfalls, daß die Diskettenschachtelevolution durch Radioaktivität gestört wurde und deshalb solche Mißbildungen hervorbrachte.

Wer, zum Geier, ist also verantwortlich?

Zunächst die Fakten. Eine Diskette existiert nie allein, weil keine nennenswerte Datenmenge draufpaßt. Es ist also nur sinnvoll, von Disketten in der Mehrzahl zu sprechen. Und die muß man also irgendwie aufbewahren. Die völlig zweckfreien Plastiktütchen (was soll damit verhütet werden?) von 3½ Zoll-Disks werden erstmal alle weggeworfen. (hat jemand mal untersucht, wieviel Prozent des Müllaufkommes der BRD aus Disketten tütchen besteht?). Und nun zur Aufbewahrung. Eine Diskettenschachtel war ursprünglich dazu gedacht, ca. 50 Disketten zu ordnen, transportfähig zu machen und vorm Verlieren zu bewahren. Zunächst tat man sie zu diesem Zweck in einen simplen Schuhkarton oder ließ sie einfach in der Pappschachtel, in der sie geliefert wurden (Nachdem man alle Tütchen weggeworfen hat selbstredend). Eine einfache, gute und ergonomisch günstige Lösung. Wenn man eine Diskette in sein Laufwerk einführen wollte, nahm man sie einfach aus der Schachtel. Irgendwann muß aber ein Typ mit Schlips das Bedürfnis der Menschen nach rauchglasfarbenem Plastik entdeckt haben. Und so nahm das Schick sal seinen Lauf. Es wurden ärodynamisch gestylte Schachteln mit goldenem Firmenzeichen, Sicherheitsschloß und natürlich viel Rauchglasplastik entworfen, doch ach, die Diskettenentnahme gestaltete sich schwierig, vorausgesetzt, man hatte vorher alle Disketten erfolgreich hineingefummelt. Zunächst geht nämlich die Klappe nicht weit genug auf. Um also auf die hinteren Diskettenplätze zugreifen zu können, muß man die ordnenden Plasikzwischenwände nach vorne kippen, die dazu bestimmt sind, die Disketten zu trennen (wozu?) und mit kleinen Preis schildchen beklebt zu weden, auf denen der Ordnung halber etwa stehen soll: Spiele. Dazu muß man aber alle vornedranstehenden Disketten und Zwischenwände ebenfalls kippen. Die Wände verhaken sich dabei aber an irgendwelchen Plastikvorsprüngen und es wird schwierig. Naja. Nun hat man halt eines Tages seine Diskette entnommen und nach getaner Arbeit sogar wieder an die richtige Stelle (mit der Beschriftung Spiele) gesteckt. Man will nun die Box mit Inhalt zum Beispiel transportieren. Man sollte nun abschließen und den Schlüssel abziehen(!) ansonsten ist die Box nicht zu. Kein Mensch käme natürlich auf die Idee, den Schlüssel abzuziehen, denn die Abschließerei ist nur Zierde und etwa so sicher wie das Abschließen eines Poesiealbums.

Denn erstens würde der Dieb natürlich die ganze Schachtel klaün und zweitens, wenn er nur eine Disk klaün oder kopieren wollte, bräuchte er nur die hinteren als Scharnier dienenden Plastiknieten rauszuziehen, und drittens will man ja wissen, wo der Schlüssel ist. Also bleibt der Schlüssel stecken. Nun hebt der User aber, vollbepackt mit diverser Hardware, die er gerade, wohin auch immer, schleppen will, die Diskettenbox 'irgendwo' (mangels Griff) mit einer freien Hand an. Das war ein großer Fehler. Denn unser fiktiver User hebt sie natürlich hinten an den Scharnieren an. Nachdem er sie in der Hand hat, dreht sich der Schlüssel einige Millimeter von selbst (denn er ist ja nicht abgezogen), der Verschluß geht auf, die Hand des Users schnärrt zusammen und die Box öffnet sich blitzartig wie das Maul eines Pacman. Alle ca. 50 Disketten fliegen in hohem Bogen durchs Zimmer. Unser User ärgert sich tödlich, realisiert aber meist nicht, daß die Diskettenbox schuld ist mit ihrem regelmäßig fehlkonstruierten Verschluß. Stapeln kann man die Boxen übrigens auch nicht. Vielzu glitschiges Plastik ohne Gummifüße läßt den potentiellen Turm aus Diskettenboxen zusammenkrachen und Frontlader gibts auch selten.

Aber auch die kleinen Geschwister dieser Boxen, die für 10 Disketten, sind zwar seltener aus Rauchglasplastik, aber ansonsten genauso schrottig. Der Vorteil ist, daß beim Öffnen des Patentschnappverschlusses (hier verzichtet man zum Glück auf ein Zylinderschloß) nur 10 Disketten durch den Raum segeln. Dabei bricht dann bestimmt auch noch der Plastikzapfen ab, der als Scharnier dienen soll. Stellt man eine solche Box auf den Tisch, kann man oft noch das Unterteil einige Grad ausklappen, scheinbar, um die Zugänglichkeit der Diketten zu erhöhen. Spätestens jetzt fällt aber die Box um und ihr Inhalt fällt, mal wieder, in die Gegend. Bei all diesen Mißgeschicken sind übrigens 3½Zoll Disks noch wesentlich effektvoller als 5¼-Disks, denn sie klappern so schön beim Fallen und flutschen einem beim Wiedereinsammeln ständig aus den Händen. Aus dem Geschilderten kann nur folgen: Vergeßt das Rauchglas. Zurück zu den Pappschachteln. Oder nehmt doch einfach ein Gummiband zum Transport von 3½ern wie weiland in dem Film äh wie hieß der noch, mit dem Bullen und dem süßen Wirtschaftverbrecher, der da irgendwelche Gelder von der Mafia oder so an Witwen und Waisen, äh wie hieß der denn, der mit dem Schönen, wo der Dings mitgespielt hat, dem also, und die wurden dann nachher Freunde in der Eisenbahn, weil der Bulle den andern nach äh also wo er halt hinsollte, bringen mußte, und wo der eine mit dem Hubschrauber, äh... Ja wo der eine, also der Verbrecher nicht mit dem Flugzeug nach.. Dings.. konnte wegen seiner.., weil er nicht konnte, aber er hat natürlich nur gesagt, daß er nicht konnte, damit der andere, der Bulle, äh.. Also jetzt stellt euch doch nicht so an!


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